In der Neujahrsnacht
Die Fackel sinkt – das Grab ist offen,
Im Tode ringt das alte Jahr;
Ein neues bringt mit neuem Hoffen
Im flücht’gen Tanz der Horen Schar.
Wein her! vom Besten, ohne Säumen!
Der Wein gehöret zum Gesang;
Es läßt beim Wein sich besser träumen,
Es gibt, wenn hoch die Gläser schäumen,
Des Sängers Laute laut’ren Klang.
Das war ein Jahr voll bitt’rer Stunden,
Ein Jahr voll Menschenhaß und Groll!
O Gott, wann wird das Herz gesunden,
Das, statt zu hassen, – lieben soll?!
Wann bringt ein Engel uns den Frieden,
Das Palmenblatt dem Vaterland,
Dem jüngst noch so viel Leid beschieden?!
Und wann umschließt uns all‘ hienieden
Der Liebe süßes Rosenband?
Durch sie allein kann’s besser werden;
Fort mit des Haders Ungetüm!
Wer in der Liebe lebt auf Erden,
Der lebt in Gott und Gott in ihm.
Es ist die Welt so reich an Schmerzen
Und könnt‘ so reich an Freuden sein!
Der Liebe öffnet eure Herzen!
Was eine Stunde kann verscherzen,
Holt oft kein ganzes Leben ein!
Im Buch der Zukunft möcht’st du lesen?
Blick‘ lieber in dich selbst hinein;
Heut‘ denk‘ zurück, was du gewesen
Und was du hättest sollen sein;
Heut‘ rüste dich zu neuem Ringen,
Heut‘ stähle dich mit frischem Mut!
Was auch die Zeiten mögen bringen,
Das Schlimmste kann der Mensch bezwingen,
Wenn nur der Mensch das Seine tut.
Und du, o Herr, im Licht der Sterne,
Du wollest auch im neuen Jahr
Allüberall in Näh‘ und Ferne
Behüten deiner Kinder Schar!
Du wollest stärken, die da klagen,
Und trösten jeden, der da weint!
Du wollest allen, die verzagen
In ihrem Leid es helfen tragen,
Bis daß die Sonne wieder scheint!
Mach‘ du des Harten Sinn erweichen
Im Mitgefühl für and’rer Schmerz!
Gib du dem Armen, wie dem Reichen
Ein glücklich‘ und zufried’nes Herz!
Gib du den deinen allerwegen,
Zumal wo Not und Mangel droht,
Vom Sonnenschein, sowie vom Regen,
Vom Traubensaft und Ährensegen
So viel, als für jedweden not!
Und weiter wollen wir nicht sorgen;
Getrosten Mut’s ins neue Jahr!
Bleibt auch die Zukunft uns verborgen,
Bleibt Gottes Lieb‘ doch offenbar!
Sie hilft uns auch durch trübe Zeiten,
Wir stehen all‘ in ihrer Hut;
Sie wird die Welt auch ferner leiten
Und jedem seinen Pfad bereiten,
Bis er in ihrem Schoße ruht.
Wein her! – vollendet ist die Runde!
Das Leben gleicht der Blume Hauch! –
Ein volles Glas zur zwölften Stunde
Dem neuen Jahr nach altem Brauch!
Da schlägt sie schon! – es geht zu Ende!
Mir nach! – nur bleibt, wie er war!
Schenkt ein der Rebe gold’ne Spende!
Die vollen Gläser in die Hände!
Ein donnernd Hoch dem neuen Jahr!
Johann Meyer