Das schlafende Mädchen | Gedicht von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Schlummre, schlummre sanft, o Schöne!
Stöhrt sie nicht, der Nachtigallen Töne!
Sterblich ist sie nicht: ach nein!
Eine Göttinn muß sie seyn.
O ich will auf diesen Auen
Gleich ihr einen Altar bauen;
Weihrauch will ich auf ihn streun:
Ja! sie kann nicht sterblich seyn.
Aber wenn sie nun erwachet;
Freundlich diese Wange lachet –
Armes Herz! wie wird dirs gehn!
O wie schlummert sie so schön!
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Ode | Gedicht von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Ich fühls, es kämpfen in mir die schon verwandelten Glieder!
Ich fühls, der Mensch hört auf in mir!
Da schwimm ich durch Wolken dahin mit neuerschaffnem Gefieder,
Zu stolz vor niedrigerm Revier!
Ich eil im unbeflogne Höhen!
Kaum kann mich Hammons Adler sehen!
Itzt werd ich, schnell wie der Ost, die Getulischen Syrten erfliegen,
Und itzt des Bosphors engen Strand!
Seh itzt die scytischen Wüsten erstarrt tief unter mir liegen,
Und itzt der Marser dürres Land!
Mich sollen ferne Perser kennen!
Mich Indier mit Ehrfurcht nennen.
Entweiht, entweihet mich nicht mit euren schändenden Zähren!
Bezähmt, bezähmt das niedre Leid!
Was brauchts des festlichen Grams, und der zu irdischen Ehren,
Und eures Grablieds Ewigkeit!
Hoch über Wolken hingetragen,
Werd ich ein Spatz an Venus Wagen!
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
An den Maler | Gedicht von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Diese Spröde male mir,
Wie sich Amor neben ihr
Auf ein duftend Veilchen setzt,
Wie er seine Pfeile wetzt,
Wie er ihre Brust verletzt,
Wie er schnell ihr Herz bekehrt,
Und sie schnell mich küssen lehrt:
Aber ach! das kannst du nicht! –
Ach! das kann ja Amor nicht!
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Der leiseste Trug, er tötet den Sproß
Der leiseste Trug, er tötet den Sproß,
Den zarten der Neigung hienieden;
Und wirft selbst des Geisterrichs Blüten
In Grabeschloß.
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
An eine Rose
Du kleine Rose, glaube mir,
Du sollst Lucindens Busen schmücken.
Ich selber will dich ihr
Jetzt auf den vollen Busen drücken.
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